Unsere Ausflugsgruppe, im Hintergrund das Schinkeldenkmal
Erst im nächsten Jahr wird Neuruppin viele Gäste haben, wenn das Fontanejahr eingeläutet wird. Wir wollten es ohne Touristen erleben und noch vor den Ferien in möglichst entspannter Atmosphäre. Und so hat sich das Städtchen auch gezeigt.
Die ausgestiegenen Fahrgäste der Regionalbahn haben sich verlaufen und wir warten auf leerer Straße auf den Stadtführer.
Eine Toilette ist weder im Bahnhof noch in der Touristeninformation zu finden.
Der Eckkneiper ist behilflich und macht gleichzeitig mit seinem Eis ein weiteres kleines Geschäft.
Der Stadtführer erklärt uns den Rundgang vorab und kommt bald auf die großen Söhne der Stadt, Theodor Fontane und Karl Friedrich Schinkel, zu sprechen.
Bei der Stadtführung, im Hintergrund Reste der mittelalterlichen Stadtmauer von Neuruppin
Überhaupt scheint die Stadtgeschichte so richtig erst mit den beiden zu beginnen bzw. mit dem großen Brand von 1787, bei dem der große Baumeister Schinkel noch ein Kind war.
Über die Hälfte der Stadt brannte nieder, weil es eine funktionierende Feuerwehr noch nicht gab und die Strohdächer der dicht aneinanderstehenden Fachwerkhäuser wie Zunder abfackelten.
Auf dem Weg vom Seeufer bis zum Brandherd verschütteten die Helfer zu viel Wasser aus ihren ledernen Eimern. Der Brand hinterließ eine Schneise der Verwüstung quer durch die Stadt.
Beim Wiederaufbau der Stadt entstand ein rechtwinkliges Straßennetz mit durchgängig zweigeschossigen Wohn- und Geschäftshäusern. Lange breite und luftige Straßen, unterbrochen durch stattliche Plätze, und Häuser im frühklassizistischen Stil prägen seit jener Zeit bis heute das Stadtbild.
Als Schinkel 15 Jahre nach dem Brand als erwachsener Mann Baumeister wurde, war die Stadt schon weitgehend wieder aufgebaut worden. Sein Betätigungsfeld als höchster preußischer Baubeamter war also nicht seine Heimatstadt, sondern andere preußische Städte und Gemeinden und vor allem Berlin. Dort trifft das Sprichwort eher zu „in jedem Winkel ein Schinkel“.
Der Stadtführer bringt uns zum Schinkeldenkmal. Es steht hinter der Pfarrkirche. Er hält in seinen Händen den Bauplan der Berliner Bauakademie, in der er lange gewohnt und gearbeitet hat.
Die Pfarrkirche St. Marien, nach Plänen des französischen Baumeisters Philipp Bernard Francois Berson errichtet, ist als reformierte evangelische Kirche ein querliegender Bau, d.h. Kanzel und Altar liegen dem Eingang gegenüber und die Kirchbänke waren jeweils seitlich angeordnet.
Die frühere Luisenstadtkirche, bei uns in der Luisenstadt an der Alten Jakobstraße gelegen, war in gleicher Zeit und gleichem Baustil errichtet worden.
Modell der Pfarrkirche St. Marien
Pfarrkirche St. Marien, Innenansicht
Heute ist die Neuruppiner Pfarrkirche entwidmet und als Kulturkirche ein Ort für Konzerte und Veranstaltungen.
Die Philharmoniker aus Frankfurt /Oder sollen begeistert sein von der guten Akustik. Als kriegszerstörter Holzbau ist die Kirche vollständig wiederhergestellt worden und erstrahlt heute wieder in altem Glanz.
Wir bewundern noch den historischen Glockenturm, der über die Zeiten gekommen ist und die Fertigkeit der früheren Baumeister bezeugt.
Am Nachmittag steht ein Besuch des Museums Neuruppin an, welches 2016 mit dem Architekturpreis für Architektur in Brandenburg ausgezeichnet wurde.
Neuer Anbau des Stadtmuseums Neuruppin
Die neue Meseumsleiterin führt uns durch die Dauerausstellung
Wieder treffen wir auf Schinkel und Fontane, wo über Letzterem im kommenden Jahr eine Jubiläums-Sonderausstellung geplant ist.
Natürlich ist das Besondere in diesem Museum der Bestand an originalen Neuruppiner Bilderbögen.
Sie waren im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts das populäre Propagandamittel, das jedermann verstand und sich leisten konnte. Sie zeigten Bildgeschichten über historische Ereignisse und waren auch gleichzeitig bebilderte Weltkunde für die einfachen Leute.
Ein Neuruppiner Bilderbogen: Szene der Berliner Strassenunruhen von 1848
Die Farbdarstellungen wurden als flächenhafte Farbtupfer nebeneinander aufgedruckt und erzeugten einen lebhaften Eindruck. Sie sind noch heute interessante Zeitzeugnisse, die in dem hellen hofseitigen Neubau des Museums gut zur Geltung kommen.
Die Museumsleute empfehlen uns zum Ausruhen das Café im Tempelgarten gleich hinter der nahe gelegenen Stadtmauer. Doch dort wollte man uns nicht haben, weil eine geschlossene Gesellschaft angekündigt war.
Die offizielle Begründung des Kellners war, keine Tassen mehr vorrätig zu haben.
Selbst in tiefster DDR-Zeit wäre man nicht auf eine solche Ausrede gekommen! So bleibt die Hoffnung auf eine andere gastronomische Einrichtung auf dem Weg zum Bahnhof. Am Seeufer werden wir fündig.
An einem der bisher heissesten Tage dieses Jahres liegt es anschliessend für einige von uns nahe, den Ausflug mit einem Sprung in den Neuruppiner See abzurunden. Eine Wohltat!
Volker Hobrack
Aus der Sammlung des Stadtmuseums Neuruppin
Siehe auch
Fontanestadt Neuruppin - Offizielle Homepage
Und ein weiterer Ausflugstipp:
Gransee mit dem eindrucksvollen Luisendenkmal auf dem dortigen Schinkelplatz in der wunderbar restaurierten historischen Altstadt