Bürgerverein Luisenstadt e.V.

                               Uli Fluß 

Nachruf von Volker Hobrack

Bei seinem langen Vornamen Hans Ulrich haben wir ihn nie genannt. Er hieß kurz gesagt immer Uli. Jede Begegnung mit ihm war durch seine Freundlichkeit geprägt. Und wenn man ihn länger kannte, kam sein unverwüstlicher Humor hervor. So habe ich ihn in Erinnerung: Gut gekleidet im Anzug, vornehme Schuhe und auffällige Krawatte, lebhaftes Minenspiel und eine freundliche, höfliche Anrede für sein Gegenüber. Die ganze Erscheinung Uli Fluß war die eines sympathischen Mitmenschen und Nachbarn.

 

Der Bürgerverein Luisenstadt war 1991 angetreten, um die Anwohner beiderseits der gerade gefallenen Berliner Mauer zusammenzubringen. Als Ostberliner waren mir anfangs die wenigen Westberliner Vereinsmitglieder noch fremd. Ina, Klaus und Uli waren die ersten Personen, die vorurteilsfrei auf uns zukamen und Kontakte knüpften. Bei Uli waren es die jährlichen Hoffeste am Oranienplatz, die die besten Gelegenheiten zum gegenseitigen Kennenlernen boten. Uli hatte jedes Mal großzügig auftischen lassen, und es war an allem zu merken, dass man beim Hausherrn des benachbarten Kuchenkaiser zu Gast war. Seine Lebensfreude, seine Liebe zu gutem Essen und lebhaften Gesprächen waren deutlich spürbar und wurden von ihm gemeinsam mit Gästen aus der Nachbarschaft und unserem Bürgerverein auch auf Gaststättenbesuchen und Dampferfahrten zelebriert. Es war durchweg angenehm seine Gastfreundschaft zu genießen. Mit hintersinnigem Humor erzählte er Anekdoten aus seinem Tagesgeschäft als Wohnungsvermieter. Und er machte aus seinem Ärger über die aus seiner Sicht schlechte Geschäftsführung der Gaststätte Kuchenkaiser keinen Hehl. Die hundertjährige Historie dieses Hauses konnte er brillant vortragen und mit der Stadtgeschichte von Kreuzberg verbinden. Die Chronik darüber ist leider nicht rechtzeitig fertig geworden, steht aber mit Vereinshilfe vor ihrem Abschluss.

Kennzeichnend für Ulis Interesse am Kiez war seine Unterstützung für das Aufstellen eines Weihnachtsbaumes 2007 auf dem Oranienplatz. Mit einem Tieflader hatten wir vom Bürgerverein eine Riesentanne aus einem Köpenicker Garten antransportieren lassen und Helfer für das Aufstellen gesucht. Uli organisierte nachbarschaftliche Hilfe aus seinem Wohnhaus, kümmerte sich um die Vorbereitung und Sicherung der Aufstellverankerung und spendierte auch noch die Beleuchtung. Niemals davor und danach hat ein Weihnachtsbaum den Oranienplatz geschmückt, zu danken der uneigennützigen Unterstützung von Uli Fluß.

Es zeichnete ihn eine außergewöhnliche Geschichtskenntnis aus, die er sich als Vielreisender und Technikbegeisterter angeeignet hatte. Seine Leidenschaft galt der Luftfahrt, der er als Fördermitglied im Technikmuseum frönte. In seinem Wohnzimmer hingen die Modelle berühmter Flugzeuge. Die Kiezgeschichten der Kreuzberger Luisenstadt kannte er wie kein anderer. Bei Stadtrundgängen begeisterte er viele Besucher mit seinen humorvollen Erzählungen und ironischen Anmerkungen. Noch vor zwei Monaten im April 2023 war eine Führung von ihm vom Oranienplatz zum Mariannenplatz geplant. Leider konnte er wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen diese Aufgabe nicht mehr erfüllen.

Wir haben gesehen, wie er jahrelang durch Krankheiten behindert und gequält wurde. Krankenhausaufenthalte, Operationen und Rehabilitationszeiten häuften sich. Trotzdem war er bei meinem Besuch im Franziskuskrankenhaus am 8. Mai 2023 noch zuversichtlich. Ich sollte ihm beim nächsten Besuch eine „anständige Bratwurst oder Bockwurst“ mitbringen. Die einige Tage danach vorgesehene OP war zu viel für den Kreislauf seines geschundenen Körpers. Uli Fluß starb am 20. Mai 2023 im Alter von nur 74 Jahren.

Die Trauerfeier findet am Dienstag, dem 11. Juli 2023 um 12 Uhr in der Kapelle des Alten Luisenstädtischen Friedhofs statt.