Bürgerverein Luisenstadt e.V.

Gartenanlage Michaelkirchplatz
Einweihung des wiederhergestellten Platzes am 29.6.2012 um 13 Uhr

Vortrag von Dr. Klaus Duntze:

Michaelkirchplatz – der Name sagt es schon: Platz und Kirche gehören untrennbar zusammen. Schon in Lennés Bebauungsplan 1841

ist am Engelbecken ein Kirchplatz vorgehalten, ab 1852 der Standort der St. Michaelkirche. Friedrich Wilhelm IV. verfügte den Platz ‚für ewig unverbaubar’ und wies der Kirche einen Anteil von 5 Ruthen (ca. 19 m) um das Bauwerk zu, der führte in der weiteren Geschichte zu Spannungen zwischen der Gemeinde, der Stadt und dem preußischen Staat.

„Der königliche Fiscus verpflichtet sich, das zur Einfriedung der Parzelle gegen den öffentlichen Platz erforderliche Gitter zu errichten und dauernd zu erhalten.“ (So in der Stiftungsurkunde). Für Lenné, den Kanal- Stadt- und Gartenplaner war der 1864 fertig gestellte Platz Teil des Grünzugs, der die Stadt Berlin umspannen sollte. Die Anwohner liebten ihn: Als ein Teil der 4.560 Ligusterpflanzen vertrockneten, setzten sie den Bau einer Bewässerungsanlage durch, an deren Finanzierung sie sich namhaft beteiligten. (Die Kirchengemeinde machte nicht mit; sie hatte am Kirchbau noch 8.000 Taler Schulden abzuzahlen.) Auch die Pflasterung der Wege und der Straßen um den Platz machten die Anwohner zu ihrem Anliegen, wobei sie 1884 Asphalt statt Granit forderten: macht weniger Lärm und ist besser für die Pferdehufe!

Aber der verwahrloste Platzanteil um die Kirche machte Ärger: die Anwohner forderten Pflanzen und Pflege von der Gemeinde, die verwies auf die Zuständigkeit von St. Hedwig – St. Michael war noch nicht selbständig – lehnt aber ein Verkleinerung des Areals ebenso ab wie den Vorschlag, den Zaun zu beranken und knüpfte an das Pflegeangebot der Stadt unzumutbare Forderungen zur Berücksichtigung von Gottesdienst- und Feiertagszeiten. Heinrich Eduard Kochhann, Vorsteher der Park- und Gartendeputation, resigniert - Der selige König hätte – bei aller Pietät! – keine Freude an dem verwahrlosten Anblick gehabt, schreibt er an den Aktenrand – und empfiehlt dem Magistrat, die Sache auf sich beruhen zu lassen.

Michaelkirchplatz

 

Bis in den ersten Weltkrieg zog sich der Streit hin: Das Gitter war verrostet. Wer zahlt den Neuanstrich? Die Gemeinde behauptet, das Gitter steht auf kommunalem Grund, die Stadt verweist auf den Staat als Nachfolger der königlichen Rechte und Pflichten und beruft sich auf den Dotationsvertrag von 1864; die Rechnung über 108,95 Mark (!) wird zwischen den drei Parteien hin- und her geschoben – unklar, wer schließlich gezahlt hat. Wann das Gitter verschwand, habe ich nicht herausgefunden, aber die Pflege des Gemeindeanteils ist ein Thema bis zum heutigen Tag; der Bezirk hat für heute mit gemäht.

Der Wasserweg wurde Ende der 20er Jahre in eine Kette von Gärten umgewandelt und der Kirchplatz zusammen mit Engelbecken und Rosengarten wurde zu einem der schönsten Orte nicht nur der Luisenstadt, sondern ganz Berlins.

Aber wie lange durfte es das sein? Hatten sich die Menschen den Platz um die Kirche angeeignet, so wurde er in der Kriegszeit umfunktioniert: Im Zuge der Luftschutzmaßnahmen wurde der Platz als ‚Wagendorf’ für die Postkraftwagen aus dem Fuhrhof aus der Melchiorstraße vorgesehen. Und bei dem furchtbaren Luftangriff am 3. Februar 1945 war er Zufluchtsort vor den Feuerstürmen in den umliegenden Straßen. Nach dem Krieg sollte er den Grün- und Sportflächen des erweiterten Heinrich-Heine-Viertels zugeschlagen werden. Und die Osttangente der Gesamtberliner Autobahnplanung führte über den Kirchplatz entlang der Teilruine von St. Michael zur Spree und blockierte für Jahre den Wiederaufbau.

Am 13. August gingen die Westberliner Gemeindeglieder für 28 Jahre zum letzten Mal über den Platz zu den Gottesdiensten in St. Michael. Der Kirchplatz wurde Vorplatz des immer stärker ausgebauten Mauerstreifens. Seine wahre Funktion als Schmuck- und Erholungsplatz, konnte er erst nach dem Fall der Mauer wieder gewinnen – ein Prozeß, der - 22 Jahre! – bis heute gedauert hat.

So schön war der Platz noch nie. Eine Lust der Augen. Nun ist er wieder Öffentlicher Raum – was aber ist seine Öffentlichkeit? – die Symbiose von Platz und Kirche ist nur noch eine ästhetische – St. Michael ist kein kirchliches Subjekt mehr, nun wieder nur noch eine Dependance der Mutter St. Hedwig, am Leben gehalten vom Förderverein um die Familie Motter. Was aber ist, wenn der Kirche das Leben fehlt? Wer gibt dem Platz sein Leben – außer den Hunden und ihren Besitzern? Werden ihn die Anwohner, die alten und die Neuen sich aneignen als Ort des Wohlbefindens und der Begegnung? Der Bürgerverein trauert um den Verlust des Platze für sein Sommerfest: Der Hauptweg zu schmal, der Rasen zu schade. (In diesem Jahr ist er auf den Platz vor dem Tresor in der Köpenicker Straße ausgewichen – am 7. September würden wir uns freuen, Sie dort zu sehen!

Michaelkirchplatz Grünfläche

 

So schön war der Platz noch nie. Aber seine Schönheit kann ihm gefährlich werden, wenn seine Ästhetik unterlaufen wird von der Funktionalisierung des Ortes, wenn er als Herzstück der Stadtteil-verschönerung nun ein Kalkulationsfaktor in der Grundstücksverwertung geworden ist? Der Engeldamm blüht auf, die Lücken füllen sich mit anspruchsvollen Neubauten, Das Taut-Haus, in dessen Schatten wir jetzt stehen, fand nach 10-jährigem Leerstand, einen Investor, der es in höchstpreisliche Eigentumswohnungen umwandelt – auf dem Wohnungsmarkt ist die Luisenstadt angesagt. Aber für die Gegner der Gentrifizierung mag der Platz kein Ort der unbefangenen Freude, sondern ein Ärgernis, ein Symbol für’s Schlimme sein. Werden sie es den Platz entgelten lassen? So wie im März die Bänke im Waldpflanzengarten, die Ranken und das Schwanenhaus im Engelbecken?

michaelkirchplatz-eroeffnung

 

Der Bürgerverein Luisenstadt bemüht sich seit seinem Bestehen um Vermittlung. Zwischen Luisenstädtern Mitte und Luisenstädtern Kreuzberg. Zwischen Altbürgern, Autonomen und Neubürgern. Er kämpft gegen Vertreibung der Bewohner und müht sich um die Beheimatung der Zugewanderten. Der Grünzug mit dem Michaelkirchplatz eignet sich nicht als Faustpfand in einer Auseinandersetzung, die auf einer anderen Ebene zu führen ist. Man kann gegen Vertreibung kämpfen und doch die Anlagen lieben. Ich möchte zum Schluß eine Mail weitergeben, die uns dieser Tage von einem Anwohner erreicht hat.

Er schreibt:

Liebe Vereinsmitglieder, lieber Volker Hobrack
ich habe mehrfach mit der Gärtnerin im Rosengarten, mit Herrn Ollendorf vom Grünflächenamt und nun mit Herrn Hartmann wegen einer Nachpflanzung der eingegangenen und wohl teilweise auch vor Jahren schon teilweise entwendeten historischen Rosen im Rosengarten gesprochen.
... Es müssten ca. 30 alte englische Rosen nachgepflanzt werden, die rund 600 € kosten - Geld, das das Grünflächenamt nicht hat. Die Plege und Anpflanzung dagegen wäre durch die Gärtnerin gesichert, sie würde dies auch sehr gerne übernehmen.
Wir würden selbst gerne etwas dafür spenden; ich könnte auch in der Nachbarschaft sammeln; oder wir hängen dies an eine etwas größere Glocke und der Bürgerverein richtete ein Spendenkonto ein und wir machen zusammen eine Pflanzaktion? So richtig viel ist es nicht, dass eine größere Aktion notwendig wäre, andererseits wäre es sicher im Sinne bürgerschaftlichen Engagements, über den Verein Rosenfreunde zu aktivieren.
Ich denke 10 Rosenliebhaber, die jeweils 60 € spenden oder 20, die 30 € spenden, müssten wir zusammen bringen können.
Die Rosen könnten wir einfach bei Förster Stauden in Potsdam für den Herbst bestellen; ich könnte die dann abholen und den Termin mit der Gärtnerin, Herrn Hartmann und Herrn Ollendorf absprechen.
Was halten Sie von der Aktion?
Beste Grüße Jochen Baumann.

Solche Nachbarn wünsche ich auch dem Michaelkirchplatz – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

michaelkirchplatz-eroeffnung

 

Auszug aus der Einladung

In den Rasenflächen wurden frei wachsende niedrige Hecken gepflanzt, die durch größere Schneeballsträucher einen Rhythmus erhalten. Als Ergänzung für gefällte Bäume sind 35 neue Bäume (Rotdorn und Linden) gepflanzt worden. Die große Mittelfläche auf der Südseite bildet die Fortsetzung der Promenaden am Engelbecken und ist vielfältig für Veranstaltungen und zum Aufenthalt nutzbar.

An den Wegen laden neue Bänke zum Verweilen ein. Aus dem Programm Städtebaulicher Denkmalschutz der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt sind für die Baumaßnahme 603.000 Euro zur Verfügung gestellt worden.

Im 2. Halbjahr 2012 beginnen dann die Arbeiten an den Fahrbahnen, Gehwegen und der Straßenbeleuchtung im Straßenraum des Michaelkirchplatzes und dessen Umgebung.