Es herrscht tagelang sonniges Wetter und es ist beständig frostig. Nachts sinken die Temperaturen unter minus 10 Grad und auch tagsüber bleibt es unter dem Gefrierpunkt.
Die Schneeschicht lässt nur vermuten, dass das Eis auf dem Engelbecken dicker wird. Anfang der zweiten Februarwoche machen die ersten Jugendlichen Schritte auf die Schneefläche und testen die Tragfähigkeit.
Schon am nächsten Tag wird von ihnen ein Eishockeyquadrat mit Schneeschiebern freigelegt. Jetzt trauen sich auch ältere Anwohner und Eltern mit ihren Kindern aufs Eis.
Jahrelang ging das nicht, weil kein andauerndes Frostwetter geherrscht hatte. Doch jetzt fassen viele Leute Mut, weil fast die gesamte Wasserfläche eine tragende Fläche bildet und nur ein 2 Meter-Wasserloch vom Schwanenpaar besetzt und verteidigt wird.
Vormittags sind junge Leute mit Schlittschuhen und Eishockeyschlägern auf dem Eis und markieren ihre Spielfelder, nachmittags stören immer mehr Spaziergänger die Sportler und Eiskunstläufer.
Auf den Ufermauern kann man sich wunderbar bequem die Schlittschuhe anziehen und seine Straßenschuhe abstellen. Alles geschieht in Sichtweite, wenn nicht gerade wieder so ein lahmer Schlitten dazwischen steht und kleine Kinder Match und Bogenlauf behindern.
Bis Donnerstag geht soweit alles gut und Beobachter an den höher liegenden Straßen fotografieren das ungewöhnliche Treiben mitten in der Stadt. Denn es ist ein Ereignis geworden, in langweiliger Corona-Zeit auf zugefrorenen Teichen und Seen spazieren gehen zu können.
Und immer mehr Leute kommen bei dem strahlenden Sonnenschein und wollen auf das Eis. Geschätzt sind es weit über 100 Personen, beim genauen Auszählen auf dem Foto sogar mehr als 200. Dürfen die denn das? Viele tragen keine Masken und es drängt sich der Eindruck auf, dass die Vorsicht für junge Leute wohl nicht vordringlich ist. Wo bleibt da Karl Lauterbach, wenn man ihn schon mal gebrauchen könnte.
Doch dann stört eine Lautsprecherdurchsage das fröhliche Bild. "Das Betreten der Eisfläche ist verboten, es besteht Lebensgefahr. Bitte verlassen Sie das Eis!"
Kurze Schreckpause bei den Besuchern. Ein blinkendes Polizeiauto ist am Straßenrand oberhalb des geschlossenen Cafés zu sehen. Uniformierte kommen die Treppen runter und betreten auch das Eis. Ihre Aufforderungen zum Verlassen sind unmissverständlich. Doch das provoziert Widerspruch und ein wildes Diskutieren mit den Ordnungshütern beginnt.
Es dauert mindestens eine Viertelstunde, bis auch die letzten Eisläufer sich zum Rand begeben. Hier harren sie in kleinen Gruppen aus und schimpfen nun mit aufgesetzten Mund-Nase-Masken über die vergnügungsfeindliche Polizei. Die lässt sich Zeit mit ihrer drohenden Anwesenheit.
Es wird langsam dunkel und kälter und viele Besucher wandern ab. Die Polizisten klettern in ihre Autos und drehen endlich auch ab. Doch darauf haben die am Rand Ausharrenden nur gewartet. Im Nu sind sie wieder auf dem Eis und haben jetzt ausreichend Platz für ihr Vergnügen.
Nach strengem Nachtfrost zieht am nächsten Tag wieder ein sonniger Wintertag auf. Es ist wieder ideales Schlittschuhwetter und mehrere dutzend Läufer sind schon mittags auf dem Eis.
Dann wiederholt sich das Katz- und Maus - Spiel mit der Polizei. Will die das auch am Wochenende fortführen? Ihre Autos sind wieder da und stehen am Straßenrand. Doch der Lerneffekt ist beidseitig. Wieder sind bei strahlendem Winterwetter alle Parkplätze rund um den Michaelkirchplatz und in den angrenzenden Straßen besetzt. Hunderte Besucher tummeln sich auf dem Eis des Engelbeckens. Die Polizisten greifen nicht mehr ein, beobachten die Szene und lassen alle Besucher unbehelligt.
Wenn doch nur das Café auf hätte.
Volker Hobrack
Foto: Wieland Giebel
Siehe auch "Lebensfreude, Energie und Sonne: Schlittschuhfahren auf dem Engelbecken" - Anwohner-Fotobericht von Wieland Giebel