Bürgerverein Luisenstadt e.V.
Foto 2 Die Köpenicker Straße lädt nicht gerade zum Bummeln ein, kaum noch vorstellbar, dass sie im 19. Jahrhundert als die schönste Straße der Luisenstadt galt. Auch meine in der Köpenicker Straße wohnenden Großeltern erzählten, wie sie sich gefreut hätten, Anfang der 1930er Jahre dort eine Wohnung zu bekommen, zwar im Hinterhof, aber sie schwärmten von einer lebhaften Straße mit Straßenbahn, vielen Geschäften, Restaurants, Kneipen und Cafés und sowie vielen Gewerbebauten in den Hinterhöfen. Der 2. Weltkrieg und nicht zuletzt der Mauerbau machten aus ihr eine wenig ansprechende, ziemlich öde Strecke zwischen Mauer und Schlesischen Tor.

Nur wenige wissen um die verborgenen und zum größten Teil nicht mehr vorhandenen Schätze der Köpenicker Straße. Hier wurde 1878 Gustav Stresemann geboren, bedeutendster Politiker der Weimarer Republik und für seine Bemühungen um Frieden und Völkerverständigung 1926 mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Hier befanden sich die bekannte Späth´sche Gärtnerei, einer der ältesten, noch bis 1995 in Betreib befindliche deutschen Eisfabriken sowie etliche andere namhafte Fabriken. In vielen von ihnen mussten in der NS-Zeit Jüdinnen und Juden sowie Zwangsarbeiter*innen verschiedener Nationen unter erbärmlichen Bedingungen arbeiten. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Seit Fall der Mauer ist die Köpenicker Straße in ihrer gesamten Länge von 2,2 Kilometern wieder für alle zugänglich und für Geschichtsinteressierte birgt sie etliche Überraschungen.

Schauen wir uns dafür nur einen kleinen Teil der Straße an.
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Von der Ecke Köpenicker Straße/Heinrich-Heine-Straße kommend wirkt das Teilstück auf der rechten Seite zwischen Adalbertstraße und Engeldamm recht abschreckend.

Es ist kaum noch vorstellbar, dass sich hinter der Adresse Köpenicker Str. 132 ein großer Postbetrieb verbarg und quirliges Treiben herrschte. 1893 wurde hier ein Postfuhramt eingerichtet und 650 Pferde und 350 Postillione versorgten Menschen mit der täglichen Post. 

Die Zeit ging natürlich auch an der Post und dem Postfuhramt nicht vorbei, Pferdekutschen wurden durch Kraftwagen ersetzt und das Gelände den neuen Erfordernissen entsprechend umgebaut. Dabei war die Post ihrer (und schon damals auch unserer Zeit) weit voraus: 1925 wurde der Pferdebetrieb komplett auf Elektrowagen umgestellt und auf dem Postfuhramt in der Köpenicker Straße entstand Europas größte Batterieladestation, die hauptsächlich für Postfahrzeuge genutzt wurde. Noch bis 1995 nutzte die Post das Gelände zur Wartung und Instandhaltung von Postfahrzeugen.

Unser Vorsitzender Peter Schwoch hat zur Geschichte des Postfuhramts eine sehr informative Web-Seite mit einem Zeitbericht aus dem Luisenstädtischen Heimatbuch von 1927, weiteren Informationen und Links sowie vielen Bildern erstellt. Schauen Sie rein und lassen sich überraschen.  

Soweit zur Geschichte. Doch was ist jetzt mit dem Gelände?

koepenicker02Die blauen Rohre auf dem Foto lassen es erahnen und wer die diesjährige Nummer 1 von ecke köpenicker (Zeitung für das Sanierungsgebiet Nördliche Luisenstadt) gelesen hat, weiß es: Hier wird gebaut! Die alten Hallen sind mittlerweile fast vollständig abgerissen und auf dem Areal des alten Postfuhramtes entsteht ein Ensemble aus Wohnungen, Büros, Einzelhandel, Gastronomie- und Kultureinrichtungen. Auch eine Kita wird gebaut. Obwohl das Postfuhramt nicht unter Denkmalschutz stand, wird teilweise historische Bausubstanz mit einbezogen. Schauen Sie sich dazu das vom Koordinationsbüro für Stadtentwicklung und Projektmanagement (KoSP GmbH) erstellte Video an Postfuhramt Berlin-Mitte: Vom Lost-Place zum lebendigen Quartier in der Luisenstadt 

Derzeit noch kaum vorstellbar, aber wenn die Planungen entsprechend umgesetzt werden, kann die Köpenicker Straße zumindest auf diesem Teilstück wieder an vergangene Zeiten anknüpfen. Lassen wir uns also überraschen und verfolgen wir interessiert eines der größten Bauvorhaben in unserem Gebiet. 

Beate Leopold

Verwendete Quellen:

Berliner Bezirkslexikon Friedrichshain-Kreuzberg, 2003, Verlag Haude & Spener ....
ecke köpenicker, nr.1 -feb/märz 2022 
https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Stresemann 
https://www.berlin-eisfabrik.de 
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/elektromobilitaet-in-berlin-begann-das-e-mobilzeitalter-schon-um-1900-li.56246 
https://www.xn--kpenicker-strasse-zzb.de/Postfuhramt.html 
Postfuhramt Berlin-Mitte: Vom Lost-Place zum lebendigen Quartier in der Luisenstadt 
https://entwicklungsstadt.de/postfuhramt-in-mitte-ein-neues-quartier-auf-historischem-grund/ 
https://www.luise-nord.de/altes-postfuhramt-in-der-koepenicker-strasse-bauen-durch-abriss/
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Lange vergriffen, wir haben es wieder herausgebracht: In einer um 24 Seiten erweiterten 3. Auflage.

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ecke jun juli"ecke köpenicker" ist eine Zeitung, erscheint achtmal im Jahr kostenlos und wird herausgegeben vom Bezirksamt Mitte, Stadtentwicklungsamt, Fachbereich Stadtplanung.