Bürgerverein Luisenstadt e.V.

                               Stolpersteinverlegung, Bergfriedstraße. © Claudia Hertel   Ilse Kohns bewegende Biografie (Quelle: Friedrichshain Kreuzberg Museum):    

Am 4. April 2022 wurde in der Kreuzberger Bergfriedstr. 6 in Anwesenheit mehrerer Familienmitglieder ein Stolperstein für Ilse Kohn verlegt.  An dieser Stelle lagen bereits 3 Stolpersteine für die Eltern und die Tochter von Ilse Kohn. Für weitere 9 Mitglieder der Familie Kohn, die dem Naziregime zum Opfer fielen, wurden im letzten Herbst Stolpersteine in Berlin verlegt.  

Das Zustandekommen der Verlegung ist den Stolpersteininitiativen Friedenau sowie Friedrichshain-Kreuzberg zu verdanken.

Ilse Elisabeth Kohn kam am 18. Januar 1901 in Frankfurt am Main als Tochter des jüdischen Kaufmanns Isidor Kohn und dessen Ehefrau Elise, geb. Wohl, zur Welt. Ilses Eltern stammten ursprünglich aus West- bzw. Ostpreußen und wechselten mehrmals ihren Wohnsitz. Sie hatten noch sieben weitere Kinder.

Die Familie übersiedelte um 1920 nach Berlin, nachdem ihre Heimatstadt Schöneck aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags an Polen abgetreten worden war. 
In den 1920er Jahren betrieb Isidor Kohn ein Kolonialwarengeschäft in der Wrangelstraße 136 in Kreuzberg. Ilse soll als Hausangestellte sowie in der Nähe von Berlin in der Landwirtschaft tätig gewesen sein. Am 26. Mai 1933 brachte sie in Berlin ihre Tochter Gisela zur Welt. Ilse Kohn wohnte zu diesem Zeitpunkt in der Wiener Straße 28 und arbeitete als Verkäuferin. Giselas Vater soll ein „Arier“ gewesen sein. Ilse zog mit ihrer Tochter zu ihren Eltern in die Fürstenstr. 15, heute Bergfriedstr. 6.
Im März 1939 wurde sie von der Gestapo verhaftet, ihr wird Rassenschande vorgeworfen.

Im Juni 1939 wurde Ilse Kohn in das KZ Ravensbrück verschleppt, wo sie schwere Zwangsarbeit in einem Steinbruch verrichten musste. Nachdem sie sich bei einem Sturz das rechte Handgelenk gebrochen hatte, wurde ihr keine ausreichende ärztliche Behandlung zuteil. 

 

Isidor Kohn versuchte alles, um seine Tochter freizubekommen. Nach vielen Bemühungen gelang es der Jüdischen Gemeinde Berlin, für Ilse eine Stellung als Hausangestellte in England und eine Einreiseerlaubnis zu beschaffen. Sie wurde daraufhin Anfang Juli 1939 aus dem KZ entlassen und wanderte einige Tage später nach England aus. Ihre Tochter Gisela konnte sie aber nicht mitnehmen, diese hielt sich dann teils bei ihren Großeltern, die die Vormundschaft inne hatten, teils bei der Familie ihres Onkels Erich auf. 

Ilses Eltern Isidor und Elise Kohn wurden am 3. Oktober 1942 mit dem 3. großen Alterstransport nach Theresienstadt deportiert und dort 1943 ermordet. Nach der Deportation der Großeltern wurde der Jüdischen Gemeinde die Vormundschaft über Ilses Tochter Gisela übertragen. Zuletzt lebte sie bei einem Ehepaar Pottlitzer in der Hirtenstraße 22, unweit des Alexanderplatzes. Ilse Kohn war es inzwischen gelungen, für ihre Tochter eine Einreise nach Schweden zu beschaffen. Diese scheiterte aber, weil Berlin die Ausreise untersagte. 

Die 9-Jährige Gisela Kohn wurde am 4. März 1943 mit dem 34. Osttransport nach Auschwitz deportiert, wo sie wahrscheinlich gleich nach der Ankunft ermordet wurde. 

Ilse Kohn war nach ihrer Ankunft in England mit der gebrochenen rechten Hand nicht in der Lage zu arbeiten. Diese sollte sie für den Rest ihres Lebens nicht mehr richtig benutzen können, außerdem litt sie unter den psychischen Folgen ihrer Haft. 

Ilse lebte mehrere Jahre in Flüchtlingsheimen. Im Krieg lernte sie bei der Landarbeit ihren späteren Mann Wolodzimierz Dawidow kennen, den sie am 5. April 1952 heiratete. Sie lebten in ärmlichen Verhältnissen in Hayes-End, im Westen Londons. Ilse versorgte den Haushalt, ihr Mann war Fabrikarbeiter, aufgrund von Krankheiten aber öfters arbeitsunfähig. 

Ilse Dawidow ist am 22. Februar 1987 in Wolverhampton gestorben. Sie ist über die Ermordung ihrer Tochter und ihrer Eltern sowie ihre eigenen Erlebnisse im KZ Ravensbrück nie hinweggekommen. 

 CH

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